Mit "Die letzten Glühwürmchen" (DlGw) gab Isao Takahata seinen Einstand als Regisseur beim, von ihm und Myazaki gegründeten, Studio Ghibli und lieferte gleich einer der ganz großen Glanzleistungen dieses herausragenden Studios ab. Und nicht nur das, "Die letzten Glühwürmchen" ist nicht nur in der Ghibli-Filmografie einer der Glanzpunkte, sondern einer der besten Animes, ja sogar besten Filme überhaupt, die ich je gesehen habe. DlGw gelingt was nur wenige Filme erschaffen, er ist so wie er ist perfekt. Es gibt nichts was ich, hätte ich die Möglichkeit, an dem Film ändern würde.
Die Geschichte, beruhend auf dem Buch "Hotaru no haka" von Akiyuki Nosaka (der darin seine eigenen Erlebnisse während des 2ten Weltkrieges verarbeitet), wird von Takahata wirklich unglaublich liebevoll und herzergreifend umgesetzt. Anti-Kriegsfilme gibt es ja viele, aber leider spielen in den meisten immer nur Soldaten die Hauptrolle. Es wird das Leiden und Grauen der Schlachtfelder gezeigt und nicht selten auch in heroische Kameradschaft geschwelgt. Nicht das ich den Schlachtfeldern irgend etwas an Grausamkeit und Leid absprechen will, aber das ist etwas was die meisten vom Krieg erwarten. Das Soldaten kämpfen und sterben und das oft auch qualvoll. Sicher kann man auch damit Leute aufrütteln, aber es hat nicht die gleiche Wirkung wie DlGw. Nicht nur das die Geschichte sich diesmal mit Zivilisten beschäftigt, nein es sind auch noch Kinder, die unschuldigsten von allen, und wenn sie im Krieg sterben und dann auch noch in so einer schrecklichen Geschichte wie hier, dann geht es kaum noch tragischer.
Der Film spielt dabei auch Geschickt mit uns, seinen Zuschauern. Schon zu beginn wir uns das Ende, Seitas Tod, gezeigt. Langsam und leise stirbt er, während um ihn herum das Leben langsam beginnt wieder normale Bahnen anzunehmen. Doch noch viel zu tief sitzt die Abstumpfung die all die Vergangenen Grausamkeiten bei den Leuten bewirkt haben, als das einer großartig Anstoß daran nimmt. Einzig eine vorbeieilende Passantin legt schnell etwas zu Essen neben ihn, nimmt sich aber auch nicht die Zeit mal zu sehen was mit dem Jungen ist.
Der erste der ihm wirklich Aufmerksamkeit widmet ist ein Mann vom Reinigungspersonal und auch der wirkt wenig bestürzt. Tote Kinder, das ist ein Anblick den auch er zur genüge kennt.
So nimmt er die Box, die er bei Seita findet (einer der größten Schätze der Kinder wie wir später noch erfahren sollen) und schmeißt sie einfach in die Wiese. Dabei geht sie auf, und zusammen mit den um sie herum erwachenden Glühwürmchen, steigt auch Seitas Erinnerung auf, manifestiert sich in einem rotem Geisterabbild seiner selbst und nimmt uns, zusammen mit seiner kleinen Schwester, mit auf eine Reise zurück in die Zeit. Die beiden werden uns fortan durch die riesige Rückblende ihres Lebens, angefangen bei der Ausbombung, bis zu ihrer beider Tod, begleiten. Daraus folgen dann auch so einige Szenen die man erst beim zweiten und dritten mal sehen des Films richtig begreifen kann. Wenn Seitas Geist sich z.B. mit schmerzvollem Gesicht, die Ohren zu haltend, von einer Szene abwendet in der seine kleine Schwester weint und schreit weil der Kimono ihrer Mutter verkauft werden soll.
Grad in solchen feinen Szenen liegt die ganz große Stärke von DlGw und die soviel aussagen, über die Charaktere, ihr Seelenleben und ihre Beziehungen. Ein weiterer solcher Moment ist, wenn Seita zur vor der Schule wartenden Setsuko zurückkommt und ihr nicht sagen kann das ihre Mutter schwer verletzt ist. Die Kleine will aber zu ihr und beginnt zu weinen und Seita, in seiner Rolle als großer Bruder und Beschützer, weiß sich nicht anders zu helfen als eine Rolle nach der anderen an einer Stange vorzuführen um so seine kleine Schwester aufzuheitern. Die aber nur weinend daneben hockt. Dazu die zurückgenommen Hintergrundbilder und die Punktgenau einsetzende, hervorragende Musik. Einfach wunderschön und ergreifend. Und solche besonderen Szenen gibt es viele in DlGw.
Ein weitere wichtiger Punkt sind die Charaktere an sich. Besonders die beiden Kinder sind so glaubhaft, überzeugend und liebevoll ausgearbeitet das man sie sofort ins Herz schließt. Seita, der heranreifende Mann, der sich seiner Verantwortung für seine kleine Schwester bewusst, aber dennoch mehr Kind als Erwachsener ist. Immer will er für sie da sein und sie beschützen, doch ist auch allzu oft hilflos. Er ist sicherlich die tragischste Rolle im Film. Dennoch ist r nicht der Übergute. Ach er hat Fehler, ist z.B. beeinflusst von der Propaganda, liest Kriegsmangas und glaubt daran das sich sein Vater schon an den bösen Amerikanern rächen wird.
Seine Schwester hingegen weis herzlich wenig von alle dem. Sie lebt in ihrer kindlichen Fantasiewelt und will einfach nur Geborgenheit, ihren Bruder und ihre Eltern. Tapfer hält sie durch, aber ihr setzt die Einsamkeit schon sehr zu. Ihr Bruder ist eigentlich ihr einziger Halt und dementsprechend verehrt sie ihn und um so härter trifft ihn (und vor allem auch uns) ihr Tod. Man kann sogar sagen das sie die jenige ist die es am wenigsten verdient hat zu sterben. Lieber die geizige, gemeine Tante, oder deren Tochter, die nur beschämt wegguckt wenn ihre Mutter die beiden Kinder piesackt, aber nicht eingreift. Oder die Kinder die den Zufluchtsplatz von Seita und Setsuko kaputt machen oder der alte der Seita verprügelt, nur weil er etwas Gemüse stiehlt oder der Arzt der Setsuko nicht hilft und die beiden wieder wegschickt. Nein ausgerechnet sie ist diejenige die nicht überlebt. Ein genialer Kniff den Takahata da benutzt um uns besonders schwer zu treffen. Darin klärt sich auch die Kritik an der Rolle der Tante, die viele als zu bösartig dargestellt und übertrieben betrachten. Es muss einfach so sein damit der Film seine volle Wirkung entfalten kann.
Dabei wäre das alles nicht halb so gut ohne eine perfekt passende Optik dazu. Beginnen wir mit den Charadesigns, die genau auf den Punkt das bringen was die Rollen verlangen. Wunderschön gezeichnet ist Setsuko wohl einer der liebenswertesten Animecharaktere ever. Dabei wird auch voll ins Kindchenschema gelangt. Kleiner Körper, kurze Gliedmaßen, großer Kopf mit Kulleraugen und Stupsnase. Schon von Natur aus muss man einfach Sympathie für diesen Charakter hegen. Der absolut glaubwürdige, kindliche Charakter tut sein übriges dazu.
Aber auch alle anderen Figuren sind sehr schön designt und gezeichnet. Selbes gilt auch für sämtliche Landschaften in die viel Arbeit und Liebe zum Detail gesteckt wurde. Aber das ist man von Ghibli eigentlich auch nicht anders gewöhnt.
Die Animationen sind für heutige Verhältnisse nicht mehr die Besten, aber dennoch sehr aufwendig und schön flüssig. Da der Film durchweg eine sehr ruhige Stimmung hat, sucht man natürlich aufwendige animierte Kamerafahrten und ähnliches vergeblich, aber das würde dem Film auch nur schaden und Bilder wie die am Teich hockende Setsuko (die meistens die Poster und Cover schmückt) sind auch so absolute Eyecatcher.
"Die letzten Glühwürmchen" ist ein wahres Masterpiece und einer der bewegensten Filme die ich je gesehen habe. Seine Anti-Kriegsmessage kann er ohne Zeigefinger, Schuldzuweisungen und blutige Schockszenen besser vermitteln als die meisten übrigen Anti-Kriegsfilme, einfach in dem er den Fokus mal weg von den Soldaten auf die zivilen Opfer, die man meist vergisst, legt. Das diese Geschichte dann auch noch so perfekt erzählt wird rundet das ganze zu dem unvergesslichem Werk ab das es ist.
Jeder Animefan sollte "Die letzten Glühwürmchen" wenigstens einmal gesehen haben.
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